Das sechste Opfer by Martin Johannson

Das sechste Opfer by Martin Johannson

Autor:Martin Johannson [Johannson, Martin]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Am Ende des Malstroms

Es war eine grauenhafte Nacht, und ich konnte nicht verstehen, wie es Abenteurer schafften, auf blanken Steinen oder Deckplanken wochenlang zu nächtigen, ohne durchzudrehen. Ich wachte zu jeder vollen Stunde auf. Das lag einerseits daran, dass das Haus direkt neben einer Kirche lag, die ich völlig übersehen hatte, und die stündlich die Zeit in die Welt hinausläutete. Andererseits konnte ich nach einer Stunde schon nicht mehr in der Position liegen, in der ich mich gerade befand. Meine Hüfte schmerzte vom harten Boden, meine Schulter ächzte, weil ich nicht wusste, wie ich liegen sollte. Außerdem war es saukalt. Trotzdem gelang es mir, ein bisschen zu schlafen, und als der Morgen anbrach, stand ich nicht mehr ganz so erschöpft auf, wie ich mich hingelegt hatte. Wenn man von den vielen schmerzenden Stellen meines Körpers mal absah.

Ich nahm Franz' Computer, zog meine Jacke wieder an, stieg aus dem Kellerfenster und kletterte ins Freie. Es war noch sehr früh, aber als ich mich Richtung Stadtmitte begab, herrschte bald emsige Betriebsamkeit in den Straßen.

Ein Fitnessstudio, das an meinem Weg lag und bereits geöffnet hatte, brachte mich auf die Idee, wie ich mich wieder auf Vordermann bringen konnte.

Ich kaufte eine Tageskarte für zehn Euro, ging schnurstracks hinauf in die Duschräume, wo ich meine Sachen samt Computer in einen Spind einschloss und mich erst einmal für eine halbe Stunde unter die Dusche stellte. Zum Glück waren es nicht solche Duschanlagen, die sich nach fünfzehn Sekunden von allein ausstellten, so dass ich wirklich in den uneingeschränkten Genuss des warmen Wassers kam. Von einem Kerl, der offenbar täglich Gewichte stemmte und dabei sehr viel Wert auf die Oberarme legte, »lieh« ich mir Duschgel, und in einem offenen Spind entdeckte ich ein Deo, das ich heimlich benutzte.

Als ich mir gerade meine Sachen überstreifen wollte, beobachtete ich einen jungen Mann, der sich frische Kleidung zurecht legte, bevor er unter die Dusche ging. Ich nutzte einen unbeobachteten Moment, um mir seine Unterhose zu »leihen», die mir glücklicherweise auch ganz gut passte. Ich überlegte kurz, ob ich ihm dafür meine alte hinlegen sollte, damit der Materialverlust für ihn nicht so schmerzlich wäre, aber dann verwarf ich den Gedanken. Das wäre nicht fair.

Ich zog mich an und begab mich männlich duftend und erfrischt wieder in die Welt da draußen.

An der kühlen Morgenluft kehrten auch meine restlichen Lebensgeister zurück. Ich frühstückte bei einem Bäcker, kaufte mir eine Zeitung, die ich beim Kaffee las, und erschrak darüber, wie über mich berichtet wurde. Ich wurde als eiskalter Killer bezeichnet, gefährlich und bewaffnet, der seit dem Tod seines Freundes völlig asozial war. Meine Frau hätte mich bereits vor der Tat verlassen, stand da, weil sie wusste, dass ich zu allem fähig sei und sie sich nicht mehr länger von mir terrorisieren lassen wollte. Peter Mustermann sei unzuverlässig, schlampig und unorganisiert – entspräche dem typischen Profil eines Verbrechers. Dazu hatten sie ein Foto von mir gedruckt, das ich damals bei meiner Bewerbung zu der Regionalzeitung geschickt hatte. Es war, Gott sei Dank, uralt.

Über das Motiv meiner Tat wurde wild spekuliert, ebenso über mein Verhältnis zu Gruneveld.



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